Wissensprozesse identifizieren und gestalten

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Leistungsrelevantes Wissen[Bearbeiten]

Die Arbeitsgruppe zur Vorbereitung des vorliegenden Leitfadens hat »Wissen im Bund« ausführlich diskutiert und daraus eine Arbeitsdefinition zu leistungsrelevantem bzw. erfolgskritischem Wissen abgeleitet:

Das gesamte Wissen in jeder Organisation, so auch im Bundesdienst beinhaltet explizite und implizite Wissensanteile. Wissensmanagement in Bezug auf Personaländerung darf sich nicht allein auf das Auffinden und Bereitstellen von Informationen aus bestimmten Informationsquellen beschränken, sondern es benötigt einen Fokus auf Handlungs- und Erfahrungswissen, welches sowohl aus explizitem als auch aus implizitem Wissensanteilen besteht.

Handlungs- und Erfahrungswissen ist oft »leistungsrelevantes Wissen« und somit Voraussetzung für eine ressourceneffiziente Abwicklung des Tagesgeschäfts und der Kernprozesse. Es ermöglicht die Selektion und Bewertung von Informationen innerhalb eines größeren Zusammenhangs (einer Aufgabenstellung). Dadurch werden, unter anderem auch aus Quellen organisationalen Lernens durch die Einbindung von Erfahrungswerten, Risiken bzw. Probleme innerhalb von Kernprozessen zeitgerecht erkannt und es kann gezielt gegengesteuert werden.

Leistungsrelevantes Wissen lässt sich anhand einer »Wissensportfolio-Analyse« (abgeleitet von der BCG-Produktportfolioanalyse) in drei Kategorien differenzieren (Armutat, 2002):

  • Hebelwissen zeichnet sich durch hohe Einzigartigkeit (spezifisches Fachwissen) aus. Zudem hat es einen erheblichen Einfluss auf den Leistungserstellungsprozess. Es handelt sich hier um »erfolgskritisches Wissen«, welches der Organisation einen Wissensvorsprung bzw. Wettbewerbsvorteile verschafft.
  • Basiswissen stellt die Grundlage der »gewöhnlichen Geschäftstätigkeit« dar. Es hat großen Einfluss auf die Leistungserstellung, verschafft jedoch auf dem gegebenen Niveau noch keinen Wissensvorsprung. Durch Erhöhen dieses Niveaus (Expertise-Aufbau) lässt sich Basiswissen in Hebelwissen verwandeln.
  • Engpasswissen definiert sich durch hohe Einzigartigkeit, hat jedoch zum gegebenen Zeitpunkt keinen Einfluss auf die Leistungserstellung. Es kann als strategische Wissensreserve/-potential einer Organisation verstanden werden, dass bei Bedarf durch entsprechende Pflege und Investition »hochgefahren« und so zu Hebelwissen werden kann.

Jeder Transformationsprozess (bspw. von Engpass- zu Hebelwissen) ist mit Investitionen in WissensträgerInnen bzw. Wissen verbunden (AGE Management, 2002) (Rump, 2001).


Abbildung 5 zeigt die Wissensportfolio-Analyse nach Armutat, 2002: Basiswissen, Unkritisches Wissen, Hebelwissen und Engpasswissen.

Abbildung 5: Wissensportfolio-Analyse (Armutat, 2002)


Diese Kategorisierung soll – im Zusammenspiel mit den in der Toolbox präsentierten Instrumenten – die AnwenderInnen dabei unterstützen, sich einen strategischen Überblick über die Wissensbasis ihrer Organisation zu verschaffen und ihnen Anleitungen und Hilfestellung zur Hand zu geben, um jenes erfolgskritische Handlungs- und Erfahrungswissen zu identifizieren, welches essentiell für die Arbeitsleistung der Organisation ist.

In anderen Worten, nicht jedes Handlungs- und Erfahrungswissen ist auch erfolgskritisch und / oder leistungsrelevant, d. h. notwendig um das Kerngeschäft der jeweiligen Organisationseinheit aufrecht zu erhalten und die gewünschten Ergebnisse zu erzielen und muss daher in der Organisation gehalten werden.

Welches Wissen tatsächlich leistungsrelevant für eine Organisationseinheit ist, ist individuell, durch die verantwortliche Führungskraft zu definieren. Wichtige Grundlagen und Unterstützung dafür, können sein:

  • Zielvorgaben auf unterschiedlichen Ebenen
  • Berichte
  • Protokolle
  • Arbeitsplatzbeschreibungen etc.

Leistungsrelevantes Wissen ist abhängig von mehreren Faktoren:[Bearbeiten]

  • Funktion (Bündel von Aufgaben und Anforderungen)
  • Person bzw. FunktionsinhaberIn
  • Kerngeschäft der Organisation bzw. Organisationseinheit
  • von seinem Grad der Einzigartigkeit und der Leistungsbeeinflussung

Um leistungsrelevantes Wissen individuell definieren zu können, muss die Führungskraft (mit Unterstützung der betroffenen MitarbeiterIn bzw. des Teams) eine Gewichtung von Wissen und Erfahrung des / der FunktionsinhaberIn vornehmen.

Folgende Leitfragen können Führungskräfte bei diesem Prozess unterstützen:[Bearbeiten]

  • Wird das identifizierte Wissen auch in den kommenden 5 bis 7 Jahren im selben Ausmaß benötigt?
  • Ist dieses Wissen notwendig, um das Kerngeschäft der Organisation in gleichbleibender Qualität zu erfüllen?
  • Inwieweit kann dieses Wissen so erweitert werden, sodass die Kernprozesse der Organisationseinheit kontinuierlich angepasst, weiter entwickelt und verbessert werden können?
  • Wie komplex ist dieses Wissen (z. B. welche Kombination aus explizitem und implizitem Wissen sowie Erfahrungswissen) und wieweit ist es klar explizierbar?
  • Wo und wie (vollständig) ist das Wissen zu Abläufen und Kernprozessen abgebildet?
  • Ist das Wissen in der Organisation nur rudimentär (z. B. bei wenigen Einzelpersonen) vorhanden?
  • Wieviel an Vorwissen und Erfahrung in bestimmten Wissensgebieten ist notwendig, um dieses Wissen verwerten und anwenden zu können?

Der überwiegende Teil des Wissens einer Organisation ist bei einem Großteil der MitarbeiterInnen vorhanden, in der Regel tief verankert, gut dokumentiert und dadurch für bestehende und neue MitarbeiterInnen leicht zugänglich (z. B. Kernaufgaben einer Funktion, Qualitätskriterien zur erfolgreichen Aufgabenerfüllung, Regeln / Normen der internen Zusammenarbeit).

Über spezialisiertes ExpertInnenwissen (hier im Sinne von »spezifischem Fachwissen«) verfügt hingegen oftmals nur ein kleiner Kreis an Personen. Kennzeichen hierfür sind beispielsweise tiefgehendes fachliches Know-how oder Verständnis von komplexen Wirkungszusammenhängen. Dieses Wissen kann daher grundsätzlich nur auf erfahrene MitarbeiterInnen direkt übertragen werden, da ein gewisses Maß an Vorwissen benötigt wird, um es verwerten und zielgerichtet anwenden zu können.

Spezialisiertes ExpertInnenwissen ist meist höchst erfolgskritisch und leistungsrelevant für die Organisation. Ein Verlust dieses Wissens (z. B. durch Personaländerung) stellt in der Regel ein hohes Risiko für den Erfolg der Gesamtorganisation dar. Um risikominimierend zu wirken, empfiehlt es sich, dieses Wissen (im Idealfall bereits sehr frühzeitig) auf mehrere Personen zu verteilen, anstatt ausschließlich auf eine designierte NachfolgerIn. Dies führt nicht nur zu einer Risikominimierung, sondern ist organisatorisch oft leichter zu vereinbaren.

Wissensmanagement im Zusammenspiel der Subsysteme[Bearbeiten]

Zur Implementierung, Weiterentwicklung und Pflege eines integrierten Wissensmanagements ist es notwendig, dieses auch immer im Zusammenspiel folgende Eckpfeiler zu betrachten, welche erst ein optimiertes Wissensmanagement in Organisationen ermöglichen.2

  • Kulturelle Subsysteme: Organisation & Organisationskultur
  • Soziale Subsysteme: Person & Personal (Führungskraft, MitarbeiterIn und Team)
  • Technisch–instrumentelle Subsysteme: Elektronische Infrastruktur

{{Abbildung |Nummer=6 |Bild=Wissensmanagement-Subsysteme.png |Beschreibung=Wissensmanagement im Zusammenspiel von Subsystemen aus Person, Organisation und Technik |Alternativtext=Wissensmanagement bewegt sich im Spannungsfeld der drei Eckpfeiler: es beschreibt und bearbeitet die Zusammenhänge zwischen kulturellen, sozialen und technisch-instrumentellen Subsystemen.

Kulturelle Subsysteme: Organisation & Organisationskultur[Bearbeiten]

Das »Gedächtnis« einer Organisation ist ihr Berichtswesen bzw. ihr Dokumentenablagesystem (z. B. ELAK, Protokolle, Charts). Relevante Kommunikation sowie relevantes Wissen wird über ein intelligentes Berichtswesen in der Organisation gespeichert (aber: nicht alles vorhandene Wissen ist immer zu 100 % abbildbar).

Die Produktivität und Qualität von Wissen ist eng an die Organisationskultur, insbesondere an die Fehlerkultur der Organisation, gekoppelt.

Soziale Subsysteme: Person & Personal[Bearbeiten]

Darunter können Führungskräfte, MitarbeiterInnen und das Team verstanden werden.

Jeder – also Führungskraft, Expert*in, und jede/r Mitarbeiter*in – ist in unterschiedlichen Funktionen für die Entwicklung und Kommunikation von organisationalem Wissen verantwortlich.

Die Führungskraft hat die Aufgabe, interne, bereits etablierte Prozesse so umzusetzen, dass das Berichtswesen einwandfrei funktioniert. In Ihrer Verantwortung liegt auch die Identifikation von erfolgskritischem Wissen.

Die Führungskraft führt ihr Team in einer Art und Weise, dass Wissensmanagement bei jedem Einzelnen einen hohen Stellenwert hat (z. B. Wissensverteilung, Dokumentation). Die Führhungskraft ist verantwortlich für Qualitätssicherung, Steuerung des Dokumentenmanagements und der Protokollierung und sorgt für Wissensteilung und -weitergabe. Die Funktion der Führungskraft (Delegation, Koordination, Kontrolle) wird durch das Team unterstützt.

Die MitarbeiterInnen haben die Aufgabe, ihr vorhandenes Wissen auch explizit und damit für andere sichtbar zu machen (z. B. was braucht ein/e NachfolgerIn). MitarbeiterInnen können abteilungsintern auch bestimmte Rollen innerhalb des Wissensmanagements übernehmen, z. B. Wissensverbreitung, Wissensverteilung oder bestimmte Formen von Dokumentation.

Das Team hat die Aufgabe, die Führungskraft in ihrer Funktion zu unterstützen, Wissen zu verteilen und aktiv weiterzugeben sowie auf die Bewahrung von erfolgskritischem Wissen zu achten.

Technisch-instrumentelle Subsysteme: Elektronische Infrastruktur[Bearbeiten]

Die elektronische Infrastruktur ist das zentrale Medium für zukünftige Wissensarbeit: Sie ist Speichermedium, dient dem Wissensaustausch und der -verteilung (Web 2.0), der Bildung von Netzwerken und Communities (Arbeitsplatz der Zukunft), und sie bietet Gleichzeitigkeit und Mehrwert durch Auswertungsmethoden. Darunter fallen beispielsweise auch Dokumentations-Plattformen (ELAK).

Zusammenspiel von Wissen und AkteurInnen[Bearbeiten]

Eine Personaländerung kann geplant (z. B. durch Pensionierung) oder ungeplant (z. B. durch Krankheit / plötzlichen Ausfall eines / einer Mitarbeiter/in/s) erfolgen. In beiden Fällen spielt das oben beschriebene soziale Subsystem, bestehend aus Führungskraft, MitarbeiterInnen und Team, eine wesentliche Rolle.

Die Organisation als kulturelles Subsystem setzt den Rahmen, innerhalb dessen die AkteurInnen zur Wissenssicherung agieren können. Dies geschieht beispielsweise durch den Stellenwert von internen Meetings, das Ermöglichen von abteilungsübergreifendem Austausch, die grundsätzliche Kultur im Umgang mit Fehlern und / oder Lernen etc.

  • Explizites Wissen ist durch die Dokumentation durch AkteurInnen im Rahmen eines effizienten Berichtswesens und DMS gut übertragbar
  • Zur Dokumentation und zum Auffinden von Dokumenten eignen sich u. a. unterschiedliche DMS-Systeme wie ELAK, Endberichte, Protokolle etc.
  • Handlungs- und Erfahrungswissen ist hauptsächlich durch Kommunikation und Interaktion, also dem persönlichen Austausch der AkteurInnen, gut übertragbar
  • Zur persönlichen Weitergabe von Wissen eignen sich unterschiedlichste Methoden wie Wissensmentoring, Patenmodelle, Interviews, Expert Debriefings etc., aber auch Arbeitstagebücher und »Story-Telling«, Skizzen, Graphische Darstellung, Wissenslandkarten u. ä.

Die hier angeführten Instrumente werden in der Toolbox dieses Leitfadens detailliert beschrieben.